Leonard jagt den Mörder seiner Frau. Erschwerend wirkt, dass er kein Kurzzeitgedächtnis mehr hat und sich dadurch mehr und mehr in einem Netz aus Irrtümern und Lügen verstrickt. Verrätselter Film noir, mit dem Christopher Nolan («Oppenheimer») weltbekannt wurde. In der Hauptrolle stark: Guy Pearce.
Leonard Shelby (Guy Pearce), ehemals Versicherungsagent, hat nur mehr ein Ziel im Leben: Er will Rache nehmen für den Mord an seiner Frau. Dabei kämpft er mit einem grossen Handicap - seit seine Ehefrau bei einem Einbruch im gemeinsamen Heim getötet wurde, vermag sein Kurzzeitgedächtnis nur noch maximal 15 Minuten zu umfassen. Um trotzdem zum Ziel zu gelangen, hat er sich mit eiserner Disziplin ein komplexes Ordnungssystem ausgedacht. Er versucht anhand von Polaroids, Notizen und auf seinem eigenen Körper in Spiegelschrift angebrachten Tätowierungen die Übersicht über seine Recherchen zu behalten und sich damit gleichzeitig immer wieder seiner eigenen Identität zu versichern. Bei seiner Jagd auf den oder die Täter ist er auf Hilfe von aussen angewiesen. Unterstützung bietet ihm der dubiose Vielredner Teddy (Joe Pantoliano) an, der immer wieder an seiner Seite auftaucht, und auch die verführerische Bardame Natalie (Carrie-Anne Moss) scheint ihm helfen zu wollen. Doch wie soll er Menschen vertrauen, die er nach einer Viertelstunde bereits nicht wiedererkennt?
Auf einem Polaroid ist die Leiche eines Mannes zu sehen, dem in den Kopf geschossen wurde. Eine Hand schüttelt das Foto, das langsam zu verblassen beginnt. Mit jeder Sekunde lösen sich die Konturen weiter auf, und der eben noch sichtbare Körper verschwindet wieder im Weiss des Fotopapiers. Das Bild wird zurück in die Kamera gezogen, ein Toter kehrt zu den Lebenden zurück, eine Kugel verschwindet im Lauf. So beginnt der ungewöhnliche Film-noir-Thriller «Memento», mit dem der junge englische Regisseur Christopher Nolan im Jahr 2000 die Filmwelt überraschte. Ein klassischer Rache-Thriller wird durch die fragmentierte Erzählweise, in der die Geschichte vom Ende zum Anfang hin aufgerollt und am Ende einer jeden Szene ein weiteres Detail der Ereignisse in der Vergangenheit preisgegeben wird, zu einem faszinierenden Psychogramm des Rächers. Es geht nicht um die Auflösung des Mordfalls, sondern um ein Spiel mit Identität und Lebenszeit: Trotz aller Bemühungen und Konstrukte wird Leonard seinem Dilemma nicht entkommen und immer bloss in der Gegenwart existieren können. Auch in Nolans späteren Filmen geraten die männliche Protagonisten häufig in Identitätskrisen beziehungsweise kämpfen mit mentalen Problemen. So leidet etwa Al Pacino als überarbeiteter Cop in «Insomnia» an krankhafter Schlaflosigkeit, Christian Bale kämpft in «Batman Begins» mit einem frühkindlichen Trauma, und Aaron Eckhart hat in «The Dark Knight» eine gespaltene Persönlichkeit.
Nolan konnte «Memento», seinen zweiten Langspielfilm, mit zwei aufstrebenden Stars besetzen: Dem Australier Guy Pearce war 1997 in «L.A. Confidential» der internationale Durchbruch gelungen, die Kanadierin Carrie-Anne Moss kannte man bereits als Trinity aus dem visionären Sci-Fi-Opus «The Matrix» (1999). «Memento» basiert auf der Kurzgeschichte «Memento Mori» von Christopher Nolans Bruder Jonathan, der auch als Produktionsassistent am Set mitarbeitete.