[…]

taz: In Löcknitz hat jeder fünfte einen polnischen Pass. Ist die Region inzwischen schon ein Region, in der die Grenzen fließend sind?

Werth: An optimistischen Tagen denke ich, ja. Dann aber habe ich wieder den Eindruck, dass wir immer noch auf dem Weg dahin sind – und das schon seit vielen Jahren. Dass wir uns im Kreis bewegen. Das war auch der Grund, warum ich meinen Job als Beauftragte für deutsch-polnische Angelegenheiten in der Stadtverwaltung Pasewalk aufgegeben habe. Vielleicht wollte ich zu viel.

taz: Sie hatten den Eindruck, gegen eine Wand gelaufen zu sein?

Werth: Ja. Vielleicht auch, weil ich festgestellt habe, dass ich mich verändert habe, die Region aber immer noch die gleiche ist. Die Leute sind oft so frustriert, ich frage mich immer, was ihnen eigentlich fehlt. Es gibt hier so viele Möglichkeiten, aktiv zu werden. Stattdessen wird gemeckert und gejammert. Durch meine Aktivitäten begegne ich aber Leuten, die die Sachen selbst in die Hand nehmen und für die Region kämpfen. Dies beispielsweise in dem neu entstanden Politischen Frauenstammtisch. Das motiviert.

[…]

taz: Eigentlich müssten die Menschen dankbar sein.

Werth: Ich frage mich selbst, warum es anders gekommen ist. Neulich hat mir jemand erzählt, dass im Wartezimmer eines polnischen Arztes zwei Deutsche gesagt haben, man könne jetzt nicht mal mehr zum Arzt gehen, überall seien nur noch Polen.

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taz: Wie wird im Präventionsrat des Amtes Löcknitz-Penkum, in dem Sie sitzen, über diese Themen ­gesprochen?

Werth: Letztes Jahr im Sommer gab es diese Aktion mit den weißen Puppen, denen ein Messer in der Brust steckte und bei denen das Blut rauslief. Dazu stand: Migration tötet. Das habe ich angesprochen. Aber man will nicht wirklich damit umgehen.

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taz: Haben Sie von manchen Polen schon gehört, dass sie wieder zurück in ihr Land wollen, wenn der Landkreis an die AfD geht? Oder wenn die AfD nächstes Jahr in Mecklenburg-Vorpommern mitregiert?

Werth: Es gibt da eher Diskussionen, noch weiter wegzugehen. Denn nicht nur die AfD bedroht uns, sondern auch Russland.

  • SapphireSphinx@feddit.orgOP
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    4 days ago

    Sobald man von Nazis in Ost-Deutschland spricht ist seit über 30 Jahren einer der ersten Kommentare: Ja, aber “what about” die Nazis woanders …