Konzerne wie VW und Stellantis haben daher auf Elektromobilität, insbesondere batterieelektrische Antriebe gesetzt, was wiederum Folgen für die Beschäftigung hat. Im Vergleich zur Produktion von Verbrennungsmotoren benötigt die Elektromobilität etwa ein Zehntel der Arbeitskräfte, so sagt man im Management; das ist auch Expertenmeinung. Das wurde oft aber nicht klar ausgesprochen. Aber es wird geschätzt, dass wegen der Umstellung auf E-Antriebe, dem Vordringen von Shared Mobility und längerfristig der fahrerlosen Mobilitätsangebote jeweils bis zu 300.000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und dem Autohandel wegfallen könnten.
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Zum einen spiegeln sich die Transformationskonflikte sowohl in der Arbeitsweise als auch in der individuellen Lebensführung wider, die wie sie für die Arbeiterschaft der untersuchten Werke typisch sind. In einem Interview erklärte uns ein Opel-Arbeiter, der sich als »Autonarr« bezeichnete, sein Hobby bestehe darin, sein Auto auf 220 km/h zu tunen, um auf der linken Spur der Autobahn Teslas zu jagen, bis deren Akku überhitzt und der Tesla rechts ran fahren muss. Neben mir im Interview saß eine studentische Klimaaktivistin, die in ihrem Sitz zusammensackte. Man konnte förmlich spüren, wie es in ihr brodelte. Sie hielt sich selbstverständlich zurück. Allerdings schien der Opel-Arbeiter darauf aus zu sein, uns zu provozieren – aber warum?
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Um die Mikroebene des Transformationskonflikts am Beispiel des Opel-Arbeiters zu verstehen, würde dieser vielleicht etwas sagen wie: »Wenn ich das Werkstor verlasse, dann will ich frei sein, wirklich frei sein und mir nicht von Leuten, die von Bandarbeit keine Ahnung haben, vorschreiben lassen, was ich zu tun und zu lassen habe. Unter dem Vorwand der ökologischen Nachhaltigkeit drängt man mich dazu, das aufzugeben, was ich an meinem Leben gut finde und worauf ich Wert lege. Selbst wenn ich verzichte, fährt mein Manager trotzdem weiter Porsche oder einen anderen schicken Sportwagen.« Das wird als zutiefst kränkend und ungerecht empfunden und verursacht ein verstärktes Abwertungsempfinden, welches durch die monotone und kräftezehrende Arbeit ohnehin schon existiert.
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Es gibt Beschäftigte, die uns scherzhaft erzählen: »Die sollen sich mal vor mir auf der Straße festkleben und dann rutscht mir mal der Fuß von der Kupplung. Zack, dann ist das Problem gelöst.« Diese Gewaltfantasien sind an das direkte Abwertungsempfinden gekoppelt. Die Arbeiterschaft nimmt Zwänge des Arbeitslebens in Kauf, um nach Feierabend »wirklich frei zu sein«. Was sich hier zeigt, ist eine Abgrenzung gegenüber den externen Normierungen des eigenen Lebensentwurfs. Sie wollen sich nicht vorschreiben lassen, wie sie leben sollen – und schon gar nicht von Menschen mit einem privilegierten Status, die von Bandarbeit keine Ahnung haben. Das ist der Grund, weshalb der eingangs zitierte Opel-Arbeiter die »grüne« Regierung und die Klimabewegungen als Hauptgegner sieht. Sie fühlen sich in den Klimadebatten nicht mitgedacht, empfinden diese als moralisierend und realitätsfern.
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Dabei darf man die fachliche Kompetenz der AfD nicht überschätzen. Die bringen es tatsächlich fertig, sich vor das Werkstor in Eisenach [wo ein Elektroauto hergestellt wird] zu stellen und Flugblätter für den Erhalt des Verbrenners zu verteilen. Dann könnte man das Werk sofort zu machen, wenn man dieser Devise folgen würde. Ohne den Grandland, der als vollelektrisches Fahrzeug herzustellen ist, wäre das Werk bereits tot. Trotzdem machen die AfDler das. Die finden trotz ihrer fachlichen Dummheit tatsächlich Gehör, weil sie vielen Beschäftigten aus der Seele sprechen, die mit Transformation vor allem die Deindustrialisierung der Nach-Wendezeit verbinden.
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Wenn ich das Werkstor verlasse, dann will ich frei sein, wirklich frei sein und mir nicht von Leuten, die von Bandarbeit keine Ahnung haben, vorschreiben lassen, was ich zu tun und zu lassen habe. Unter dem Vorwand der ökologischen Nachhaltigkeit drängt man mich dazu, das aufzugeben, was ich an meinem Leben gut finde und worauf ich Wert lege.
Erstens ist die Bandarbeit doch nicht vom Verbrenner abhängig, oder? Man baut auch E-Autos am Band zusammen. Wahrscheinlich werden sogar Busse und Züge in Bandarbeit zusammengebaut.
Zweitens sollten wir eben auch daran arbeiten, dass das Wertschätzung eben nicht an Erwerbsarbeit gekoppelt ist.Das Zitat ist von relativ weit drinnen im Artikel. Da ist der Kontext nicht Verbrenner-vs-Elektro, sondern ökologische Transformationsmaßnahmen die einen außerhalb der Arbeitszeit betreffen. Man denke an Wärmepumpen und sonstige Bauvorgaben, Tempolimits, “Klimakleber” etc. Habe jetzt im Post ein paar Absätze mehr zitiert, um den Kontext klarer werden zu lassen.